GASTBEITRAG Simone und FAB

Die „Morgana“ schaukelt sanft in den Wellen. Die letzten Sonnenstrahlen fallen auf das Achterdeck, wo gerade zu Abend gegessen wird. Von hier schweift der Blick auf das nicht weit entfernte Ufer, hier ragen steile Klippen gegen die unablässig anlaufende Gischt empor, daneben ein kleiner Sandstrand, ein paar Sonnenschirme vom Tag, ein paar Steine die dahinter aufragen. Daneben: Ein langer, hochaufragender Zaun, hinter dem sich ein langes Rollfeld erstreckt. Flugzeuge starten und landen hier und kommen dem Schiff dabei gefährlich nahe. Immer wieder wird an Bord zusammengezuckt, wenn die Stahlkolosse nur einige Meter über dem Mast des kleinen Segelschiffes hinwegrauschen. An diesem Ort steige ich zu der Familie Blank, um eine Woche mit ihnen Urlaub zu machen. Es ist bestimmt nicht der schönste Ankerplatz direkt an diesem Flughafen am Meer– Tom, Sigrid und Simone sind nur hierhin gefahren, um mich abzuholen. Doch er steht sinnbildlich für eine der tollsten Dinge am Segeln: Das wir an Orten sind, an die wir sonst nicht gelangen. Und die Dinge aus einer Perspektive sehen, die wir sonst nicht einnehmen. Vom Wasser aus. Und dabei meist alleine.

Auf der Morgana wurde sich in den Tagen vorher schon intensiv auf den neuen Besuch vorbereitet. Der Schampus wurde kaltgestellt, die Angel für den groß angekündigten Angler präpariert, frischer Fisch erworben und das Wasserballett in Perfektion einstudiert, sodass die Familie Blank mit all ihren Kompetenzen glänzen können würde. Alle waren ein wenig aufgeregt, wie sich die Dynamiken verändern würden, wenn Fab zu der nach zwei Wochen Segeln sehr eingespielten Dreierkonstellation dazu stoßen würde. Würden sie sich auf den Geist gehen? Ist die Morgana für vier Personen zu eng? Würde sich Fab als Leichtmatrose gut machen und auch beim Singen aus der Mundorgel zu gebrauchen sein?

Meine Segelerfahrungen sind überschaubar. Als kleiner Junge bin ich öfter auf der Weser gekreuzt. Die Boote waren so klein, es passte neben mir gerade noch ein zweites Kind hinein. Und das größte Risiko bestand darin, mit der Passagierfähre zusammenzustoßen, die allerdings so langsam ihre Runden zwischen Café Sand und Sielwall drehte, dass von der wahrscheinlich kürzesten Bootsfahrt in Bremen auch keine wirkliche Gefahr ausging. Entsprechend unvorbereitet bin ich, als mir das Steuerrad des sich im Wind schräg liegenden Seglers übergeben wird. »Halt mal kurz!« Na klar. Ich suche mir einen Punkt in der Ferne aus. Eine hoch aufragende Felsklippe auf der nächsten Landzunge der Insel, vielleicht 12 Seemeilen entfernt. Ich versuche, diesen Punkt anzusteuern und mit dem inzwischen im tiefen Kränkungswinkel fahrenden Segelboot den Kurs zu halten. Ich fange an, das Steuerrad wild in beide Richtungen zu kurbeln, um zu verhindern, dass das Schiff nach Steuerbord oder Backbord ausschlägt. Mit wenig Erfolg. Die Linie, die unseren Kurs auf dem Bordcomputer nachzeichnet, sieht aus wie mit einer gezackten Bastelschere ausgeschnitten. Und auch die wohlmeinenden Kommentare der Gastfamilie – »einfach ganz ruhig halten«, »nur nicht so viel Arbeiten« bringen nicht den erwünschten schnurgeraden Kurs. Mir bleibt nur noch eins. Als wir, natürlich im Zick-Zack an wunderschönen Klippen entlangfahren, die alle Aufmerksamkeit bannen, drücke ich auf den Knopf des Autopiloten. Der Kurs wird augenblicklich besser und ich bilde mir anerkennende Blicke ein.

Die weiteren Tage verliefen dann sehr entspannt. War es das frühmorgendliche Baden, das frisch gebackene Brot mit Pestohumus, Udo Lindenberg mit seiner rauchigen Stimme oder einfach die gute Stimmung, die selbst Morgenmuffel Fab schon am Frühstückstisch strahlen ließen? Nachdem Synchronköpper und Saltos von der Reling eingeübt wurden und zur Stärkung mindestens eine Wassermelone verspeist wurde, zog es uns ans Land, um die eindrucksvollen Landschaften auch von Nahem zu erkunden. Doch, auch wenn wir dort herrliche Strandspaziergänge machten, frisch gepresste Säfte aus unbekannten Früchten tranken, während uns der Duft von frisch gebratenem Fisch um die Nase wehte und wir den süßen Kätzchen mit großen Ohren kaum widerstehen konnten, so zog es uns doch meist wieder schnell zu unserem Morgana-Zuhause zurück. Dort angekommen waren wir froh, wenn endlich das fürchterliche Schaukeln der Landkrankheit aufhörte und wir es uns im bekannten sanften Schaukeln wohlig bequem machen konnten.

Das Leben an Deck war voll von Ritualen. Jeden Morgen verlief der erste Gang direkt ins Meer. Mit einem beherzten Kopfsprung. Die Flutwelle, die entsteht, wenn ich ins Wasser springe und das elegante Eintauchen von Simone neben mir gibt einen Eindruck davon, wie nah Gelingen und Misslingen beieinander liegen. Nach dem Schwimmen wird gefrühstückt. Natürlich begleitet von ostfriesischem Tee mit Kluntjes. Danach Segeln, manchmal Landgang, öfter Gespräche an Deck. Bei Familie Blank wird auf maximale Entspannung wert gelegt. Nur in äußersten Ausnahmefällen wird auf den Mittagsschlaf und den anschließenden zweiten Tee des Tages verzichtet – Ausnahmefälle wie etwa das Aufziehen eines Sturmes mit Windgeschwindigkeiten von über 50 Knoten. Bei allem darunter bleibt man nordisch kühl, ostfriesisch herb und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Jeden Abend wurden wir von Sigrid mit den köstlichsten Speisen verwöhnt. Zwar gab es leider keinen von Fab frisch gefangenen Fisch, aber irgendeinem Fischer konnten wir meistens noch etwas abluchsen. Und wenn nicht, schaffte Sigi es selbst aus Tiefkühlerbsen ein 5-Sterne-Menu zu zaubern. Wir lernten schnell, dass die süßen Restaurants an der Küste da nicht mithalten konnten.

Am Ende ging es ganz schnell. Die Zeit verging viel zu rasch und nachdem wir die schönsten Buchten der Südküste der Insel gesehen hatten, fanden wir uns auf unserem Ankerplatz gleich neben dem Flugzeug wieder. Nach einer letzten Nacht, in der die Flugzeuge über unsere Köpfe gerauscht sind, steigen wir selber in eines und verabschieden uns von Kefalonia. Auf ein nächstes Mal!